Der Fehler
Der Fehler im System, Löcher, Leerstellen, wie werden Fehler definiert, Konventionen, Regeln nicht entsprechen, anders sein?
Wer vorallem definiert den Fehler als solchen, Kontrollinstanzen, die Verhaltensnormen etablieren, auf der Basis von tradierten Normen, die sich langsam aber doch verändern, sogenannte "Tabubrüche", die längst schon keine mehr sind, die institutionalisiert und somit neutralisiert werden.
Fehler abgeleitet von "fehlen", der Mangel an Übereinstimmung mit Konventionen, Angepaßtheit, oder der scheinheiligen "Correctness", welcher auch immer, sich wandelnde Doktrinen des "So-Sein-Müssens", oder besser, des "So-Scheinen-Müssens", reproduzierte Floskeln der gleichen vorgegebenen Meinungshüllen, die jeder anlegen kann, die immer passen. Perfekt!
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Betriebssysteme
Der Kunstbetrieb als System konstituiert die Mechanismen und Spielregeln zwischen den TeilnehmerInnen, Institutionen, SubventionsgeberInnen, VermittlerInnen, RezipientInnen, KünstlerInnen, alle in spezifischen Rollen (Rollenwechsel teilweise möglich) verhaftet, bestimmt "access, selection, und link".
Der Kunstmarkt, kleiner abhängiger Nebenzweig des ökonomischen Betriebes mit den selben Gesetzen, unterteilt sich noch einmal in den aktuellen Ideenmarkt, "Themenpark", des Betriebsystems, dem KünstlerInnen wie KuratorInnen unterliegen, das Thema als geschützter Bereich und Marktwert.
Zwei in sich geschlossene Systeme, offen zwar in der Suche nach neuen Hypes, den Kontext und den Diskurs erweiternd, kaum aber hinsichtlich der inhärenten Systemstatuten.
Die tendenzielle thematische Schwerpunktverlagerung versus Vermittlung (offensichtlich eine soziokulturelle Leerstelle besetzend und ein gesellschaftliches Phänomen reflektierend) in den öffentlichen Raum, entspricht dem subjektiven Anliegen, gesellschafts-politisch-und-kritisch zu intervenieren. Als eine der möglichen Reaktion auf das "coole white cube Programm" der 80/90ziger Jahre agieren KünstlerInnen verstärkt als VermittlerInnen - aber auch als VeranstalterInnen in direkter und somit ungeschützterer Konfrontation mit der Öffentlichkeit. Der Versuch einer "Produktion" von Gegenöffentlichkeit um die teleproduzierten Statements der Medien in ihrer "Allmächtigkeit" zu unterminieren. Ständig jedoch konfrontiert mit dem wirtschaftlichen und politischen Druck der Quote, und dem ständig wiederkehrenden Diskurs eines existentiellen Rechtfertigungszwangs ausgesetzt.
Zwei Marktsysteme also, ökonomisches und ideeles, objektive und subjektive Konstrukte und Interessensvertretungen widerspiegelnd, die aufeinandertreffen, sich ergänzen, widersprechen, konkurrieren oder "crashen".
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Der coole, objektive Fehler
Das System als das Andere, als objektive Gegenüber-Instanz, Schnittstelle, Übergang vom Privaten zum Öffentlichen, Kommunikationsgerüst und Vernetzung.
Eröffnen nicht Fehler, Schwächen/Schwachstellen, Unfälle mehr analytische Rückschlüsse bezüglich der diversen Systemmechanismen, als die noch immer umherschwirrende Coolness (Phänomen der 80 und 90ziger Jahre) zulassen würde.
Entspricht nicht der coole distanzierte Zugang/Umgang, um keine Angriffsfläche zu bieten, einer Identifikation mit der scheinbaren Objektivität des Systems, abgespalten vom Subjekt? Die Rolle des Unnahbaren und Unberührbaren, als Macht-Instanz, Schutz oder Ausdruck von Beziehungs-Unfähigkeit in jeglicher Form, variiert also zeitgeistbedingt, ob Verhaltensmuster negativ oder positiv konnotiert werden.
Dem Verstecken des Subjektiven um Schwächen oder Fehler unsichtbar zu machen stehen die sogenannten "großen Gefühle", deren Perversion in den reality shows gegenüber. Ist also Subjektivität im postcoolen Zeitalter nur mehr in ihrer Perversion möglich, wie definiert/ präsentiert sie sich im Kunstbetrieb? Besser gefragt, welche Rolle spielt der Fehler dabei?
Zwei Varianten von Fehlern, der subjektive Fehler und der coole objektive, der Systemfehler sollen gegenübergestellt werden. Was passiert wenn Fehler auftreten? Cool auf subjektiv trifft?
Wenn sich unterschiedliche Zugangsweisen und Umgangsweisen mit dem Selbst und dem Anderen begegnen, aber auch im Sinne von "privat meets public", also verschiedene Identitäten und Identitäts-Rollen sich treffen.
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Funktionsstörung: Error
Wenn die Konstruktion einer Serie von Abläufen in der Abfolge der programmierten Vorgänge gestört wird, die Funktionsstörung erst einmal alles stoppt, der Ärger sich einstellt, daß etwas nicht funktioniert wie bisher, zum exakt unmöglichsten Moment, stellt sich im Mangel des Funktionierens oft erst einmal die bewußte Wahrnehmung des Systems ein.
Haben sich neue Spielregeln eingeschlichen, Informationen, die einem entgangen sind, wurden Rollen getauscht oder vertauscht, ein neues Programm, neue Codes, wer spielt hier falsch, verhält sich nicht den Mustern entsprechend hat das System manipuliert? Chaotische Zustände machen sich breit ...
Das konstruierte, vorgegebene Andere, soziokulturelles, historisches, juridisches System oder Computersystem erhebt einen allgemein-gültigen-öffentlichen Anspruch, durchschnittliche Entsprechungsoptionen die zum allgemeinen Maßstab mutieren, deren Nicht-Befolgung, Bestrafung (Entzug von Freiheit, Erfolg, Geld, Access ...) zur Folge hat.
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Nicht-Entsprechen: Der Fall aus der Rolle
Im Kunstbetriebsystem wird das "Nicht-Entsprechen" bewußt als Option von Infrage-und-Hinterfrage-Stellungen von gesellschaftspolitischen, soziokulturellen oder ökonomischen Phänomenen eingesetzt, um andere Blickwinkel und Bewußtseinsprozesse den fertigen teleproduzierten zur Seite zu stellen. Der Fehler im Sinne des Nicht-Entsprechens, das grenzüberschreitend aus der Rolle (Identität) fallen, legalisiert als kunstinternes Medium, vom Kunstbetrieb institutionalisiert und neutralisiert, konfrontiert und evoziert anfangs meist heftige Reaktionen, verstört, oder scheitert.
Ausgang ungewiß. Unter dem Paragraph "Verletzung von religiösen Gefühlen" werden die Reaktionen auf scheinbar nur mehr im religiösen Wertesystem möglichen Provokationen, subsumiert. Die Ikonographie von religiösen Zeichen mit dem alleinigen Besitzanspruch belegt, verteidigt, heilig gesprochen, amen!
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Die Produktion von Fehlern
Die Verlagerung des Subversiven in den Internetbereich, in den Technologie und Telekommunikationsbereich, ist "verspielt, versteckt politisch" motiviert. Politische Intention präsentiert sich auf einer virtuellen Ebene, als Produkt des Hackens von Systemen, des technische Systeme Infragestellens, Herausforderns und Austricksens. Löcher im Programm zu finden, Systeme zu überlisten, ein sowohl spielerischer wie kompetitiver Umgang mit Technologie. Technologische statt politische Systeme werden hinterfragt, deren Schwachstellen/Fehler ausfindig gemacht, oder neue Fehler produziert, Viren eingeschleust. Somit die oft proklamierte "Unfehlbarkeit" von Systemen ad absurdum geführt, diese lahm gelegt, Chaos und ökonomischer Schaden produziert.
Das System selbst wird zur Spielwiese der Hacker, hack, knack, over und neu.
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Der subjektive Fehler
Das Subjekt als das Andere, Teil (oder ausgestoßener Teil) des übergeordneten Systems, "subjektive Identitätssuche" im Gewirr von übergestülpten Kontrollräumen diverser Machtinstanzen ist die zweite, induktive Annäherungsform an den Fehler. Die subjektive Analyse des Selbst und des Anderen, der subjektiven Systeme, ist ebenso oft, mit in sich geschlossenen Systemen konfrontiert, ebenso oft, in ihren Rollen festgefahren, wie deduktive Konstrukte. Allerdings, mit dem Unterschied der größeren Möglichkeit auf Veränderung innerhalb der privaten Systeme, innerhalb der eigenen Entscheidungsmöglichkeiten.
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Verstörungen-Verunsicherungen
Fehler als Störungen des Gewohnten, Verstörungen, Verletzungen und Irritationen, plötzlich aufklaffende Leerstellen eröffnen manchmal Bewußtwerdungsprozesse in den subjektiven Funktionsmechanismen, die die Wahrnehmung und die Geschichte der Identitäten erst einmal verunsichern. Gleichzeitig bewirken sie die Infragestellung ihrer Programmierung und der sich immer wieder wierderholenden Verhaltensmuster. Eigene Fehler, Fehler der Anderen, ständiges Hin und Her, verbunden mit Erwartungen, oder besser nicht erfüllten Erwartungen, Nicht-Verstehen, Forderungen, Egoismen, Traumatas, Geschichte, Projektionen, Provokationen. ...summa summarum der
Ent-Täuschung, dem Bewußtwerden des anders seins des Ichs und des Anderen. Die subjektive Interpretation und Klassifizierung als Fehler variiert in der Toleranzskala, der Symbol für Unbewußtes, Unreflektiertes oder intendiertes Programm sein kann, aber auch ein Ort der Öffnung, der Nähe einleiten und zulassen kann. Ein Zwischenraum für Eigenständiges und Eigenwilliges in vorprogrammierten Verhaltensrastern.
Im Zeitalter des zwangsverordneten "perfect is beautyful" oder im Umfeld der Gen, sprich Klon-Debatte steigert sich die Sehnsucht nach Unperfektem, Fehlerhaftem, Ungewissem, nach Löchern im System, um mal kurz durchzuatmen und dem ständig zunehmenden Druck der Produktion des seriellen Gleichen, der vorprogrammierten Bilder und Identitäten, wenigstens die Option von Leerstellen, Freizeichen, Zwischenräumen und Fehlern entgegenzusetzten. ...
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